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Mark Barden - Monoliths
Preis: € 17,00
WWE 40413
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Mark Barden
Monoliths

01
a tearing of vision 11:29 Share
02
Chamber 11:21 Share
03
Alam 11:35 Share
04
flesh|veil 12:45 Share
05
die Haut Anderer 11:41 Share
06
Monoliths I 02:03 Share
07
Monoliths II 02:04 Share
08
Monoliths III 02:08 Share
09
Monoliths IV 02:09 Share
10
Monoliths V 02:05 Share
Gesamtspielzeit 01:09:20
Mark Barden: Monoliths
Musik an den Grenzen des Scheiterns
Mark Bardens Werk inszeniert das Scheitern, das sich unmittelbar an oder jenseits der Grenzen dessen einstellt, was wir hören und physisch umsetzen können, und das als Scheitern selbst stets spürbar ist. Die Klänge seiner Musik sind abwechselnd dicht, körperlich spürbar, fieberhaft; und wie sie dem Interpreten in der Aufführung entgleiten, überträgt sich auf das Hörerlebnis. In solchen Momenten gespiegelter Verletzbarkeit mag sich beim Hörer für Augenblicke ein Empfinden einstellen, sich selbst zu verlieren.

Eine Ästhetik des Scheiterns ist der Musik der Gegenwart nicht unbedingt fremd. Kompositionen der sogenannten ‘neuen Komplexität’ [New Complexity] etwa, misst man sie an ihren virtuellen Vorzeichnungen in den Partituren, beruhen vielfach ganz eng auf buchstäblich unreproduzierbaren Klangoberflächen. Ja, das Vergnügen an solcher Musik erwächst vielfach gerade daraus, einem hochvirtuosen Interpreten dabei zuzusehen, wie er sich bemüht gewissenhaft umzusetzen, was von ihm an Unmöglichem verlangt wird, und dabei doch jenseits der Grenzen des Möglichen agiert. Solch ein Scheitern jedoch befremdet, noch dazu, wenn der Mensch auf der Bühne notgedrungen ganz auf sich gestellt ist und sich, wenngleich auch (vielleicht) heldenhaft, abmüht. In Mark Bardens Musik hingegen werden Scheitern und Grenzen des Scheiterns ganz anders erfahrbar.

Ihr geht es zum einen überhaupt nicht um heldenhafte Selbstdarstellung und auch nicht um das allgemein modern verstandene Subjekt. Vielmehr sind ‘wir’ gemeint und ‘unsere’ Erfahrung unmittelbar beim Hören und Empfinden dieser Musik. Durch die Komposition a tearing of vision (2012) zieht sich eine statische, sich nicht verändernde Solo-Klavierlinie. In immer gleicher Abfolge des Tonmaterials schreitet sie ohne Veränderung voran, doch wird sie in der eigenen Unveränderlichkeit in einem immer dichter werdenden orchestrales Klanggeflecht dargeboten. Der Hörer nimmt sie dadurch wahr, als würde sie sich verändern, auch wenn sein Verstand ihm sagt, dass dies nicht der Fall ist. In Chamber (2006–07) dominieren Stimmen die Klangwelt des Stücks, die stets etwas oberhalb ihrer Reichweite singen. Sie bleiben aber als Klang vernehmbar und rufen so auch Erfahrungen auf wie von Gelegenheiten, als man eine bekannte Melodie — mag es ‘Happy Birthday’ sein — zu hoch angestimmt hat, dies normalerweise aber erst merkte, wenn’s eigentlich schon zu spät war, den Fehler zu korrigieren. Ähnlich hat am Anfang von Die Haut Anderer (2008) der Pianist die Anweisung, die Tasten nur mit einem Finger jeder Hand niederzudrücken, lautlos zu beginnen und Töne erst allmählich klingen zu lassen. Dieses gleichmäßige und mehr oder weniger kraftlose Spiel wird einen jeden, der je eine Klaviatur berührt hat, wieder an das Gefühl erinnern, Tasten anzuschlagen, die keine oder nur ganz unbestimmbare Töne von sich gaben, während ihn zugleich die ganze Tastatur überaus einschüchterte. Dies ist eine Gestik, die man wiedererkennt und in die man sich einfühlen kann, die sich einem mitteilt. Gleichzeitig sind das bewusste Gesten, in all ihrer Fragilität auch elegant, üppig, zuweilen gar verschwenderisch.

Zum anderen gestaltet Mark Barden Scheitern in seiner Musik auch, um die Grenze selbst und die Bedingungen des Scheiterns auszumachen. Die Frage ist dabei freilich nicht, was an der Grenze geschieht, noch auch, was die Grenze sei. Es geht vielmehr darum, die Grenzen der Grenze zu erforschen. Wenn Scheitern eine Grenze darstellt, wo liegen die Grenzen des Scheiterns? Bardens Musik stellt sich gleichsam als Metapher für das Abstecken von Grenzen dar und erinnert damit an das Brauchtum in früheren Zeiten vor der allgemeinen Verbreitung von Karten und Katastern, als Dorfgemeinschaften die Ränder ihrer Fluren abschritten. Die materielle Seite der Frage: wie weit reicht die Grenze? wurde dabei sehr dingfest in ein Schlagen der Grenzsteine mit Birken- oder Weideruten übersetzt, und zuweilen gar in den Brauch, die Köpfe der Knaben der Gemeinde an diese Steine zu stoßen. Es überrascht daher kaum, dass solche Steine in Bardens Five Monoliths (2014) thematisch werden. Diese Monolithe haben nicht mehr die modern glasglatten Oberflächen von 2001: A Space Odyssey. Sie sind stattdessen, wie der Name schon nahelegt, massive, urzeitlich anmutende Gebilde wie aus Stein. Das Überwältigend-Erhabene, wie es das 19. Jahrhundert empfand, wird andeutend in Erinnerung gerufen, zugleich aber dadurch unterlaufen, dass die mächtigen Steinsetzungen mit ihren geradezu ertastbaren spröden, bröckelnden, stark strukturierten Oberflächen so nur noch wahrnehmbarer erscheinen. Die Wahrnehmung ist hier das Zentrale, wie beim vierten Monolith, wo unter dem Ensemble ein Herzschlag der Basstrommel tönt, genau am Rand des Vernehmbaren und fast immer in Abständen von sieben bis acht Sekunden, wo es schwer wird, die relative Dauer einzuschätzen, und ebenso schwer zu unterscheiden, was Puls sein mag und was ein Rhythmus, den der Hörer eher ahnen als klar ausmachen kann. Es überrascht dann kaum, dass im dritten Monolith zwei Sinuskurven die Grenzen des Tonhöhenmaterials markieren, welches das Ensemble ausführen, dabei aber mikrotonal und unregelmäßig akzentuiert fluktuieren lassen soll. Dieselben Akzente — das dichte Beieinander der Ereignisse — kehren auf der temporalen Ebene wieder in flesh|veil, wo Instrumentalduos gehalten sind, fast Unisono zu spielen. Dies ahmt den Effekt einer akustischen Rückkopplung nach, die dem Telefonierenden ein Echo seiner Stimme um den Bruchteil einer Sekunde, nach dem er gesprochen hat, wiederhören lässt. Manche Verzögerungen solcher Art können Stotterern helfen; doch andere — von etwa 175-200 Millisekunden — rufen mentale Anspannung hervor, die zuweilen sogar Verstummen induzieren kann. Aus dem Alltag ist solche akustische Rückkopplung von Mobil- oder Satelliten-Telefondiensten vertraut: wiederum erkennt der Hörer, wenngleich hier nur vage, etwas wieder, das er eben als genau ein solches Fast-Verstummen selbst schon erfahren hat. Solche Momente lassen sich aus der Partiturverzeichnung heraus allerdings nie buchstäblich umsetzen: nicht so sehr, weil die Notationen hypervirtuose Anforderungen stellen, sondern noch viel mehr, weil sie unausgesprochen Erwartungen und Bedürfnisse Anderer einbeziehen. Das gemeinsame Scheitern, die Verletzbarkeit, die Ausführende, Hörer und sehr wohl auch Komponisten verbindet — und die Verantwortung, die daraus erwächst — wird inszeniert, dargestellt, gleichsam greifbar gemacht unter den Grenzbedingungen, die Barden beharrlich erforscht.

Text: Martin Iddon
Übersetzung ins Deutsche: Hans Walter Gabler

Foto: Manu Theobald | © EvS Musikstiftung

Monoliths
a tearing of vision (2012)
für großes Kammerorchester
Ensemble intercontemporain, Leitung: Cornelius Meister

Chamber (2006/2007)
für drei (unausgebildete) verstärkte (Männer)stimmen
Mark Barden, Stefan Maier, Max Murray

Alam [Schmerz] (2011)
Konzertinstallation für Ensemble und Elektronik
Klangforum Wien, Leitung: Andreas Eberle

flesh|veil (2012)
für Oktett
Klangforum Wien, Leitung: Andreas Eberle

die Haut Anderer (2008)
für Klavier solo mit optionalem Video
Nicolas Hodges

Monoliths I – V (2014)
für Ensemble (mit offener Besetzung) und Elektronik
Kammerensemble Neue Musik Berlin
Porträt: Mark Barden
Ein Film von Johannes List.

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Erst nach einer angedeuteten Reprise des Beginns setzt die finale Steigerung ein. Entspannte und hoch erregte Momente finden zu einer neuen Balance. 
Hans Thomalla
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