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Editor’s Note |
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Das ist ein Album über die Langeweile, das die preisgekrönte Musicbanda Franui begleitet von Schauspieler Peter Simonischek aus dem alltäglichen Leben zurück in die Kindheit und von dort direkt auf den Friedhof führt. Mit Ennui ist nicht gemeint, was man in Wien fad nennt. Es geht um die existenzielle Langeweile, um jenen Moment, in dem Dich die schwarze Leere ergreift, Dir die Absurdität des Daseins bewusst wird – oder wie immer Philosophen diesen Zustand genannt haben. Einer von ihnen, Kierkegaard, behauptet: Aufheben könne man die Langeweile niemals durch Arbeit, nur durch Unterhaltung sei ihr beizukommen.
Die Unterhaltung, die Zerstreuung, der Zeitvertreib, das Vergnügen – in der Musik heißt das: Divertimento. Und brillante Themen dieser Gattung finden die Franuis für ihre in Erinnerung bleibende musikalische Erzählung bei Mozart, Satie, Schumann u. a. Es bleibt noch zu sagen: Gute Unterhaltung!
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Lineup |
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Johannes Eder, Klarinette, Bassklarinette Andreas Fuetsch, Tuba Romed Hopfgartner, Sopran- & Altsaxophon, Klarinette Markus Kraler, Kontrabass, Akkordeon Angelika Rainer, Harfe, Zither, Stimme Bettina Rainer, Hackbrett, Stimme Markus Rainer, Trompete, Stimme Andreas Schett, Trompete, Stimme Martin Senfter, Ventilposaune, Stimme Nikolai Tunkowitsch, Violine
Peter Simonischek, Lesung (Tracks 01, 04, 07, 11, 12, 14) |
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First Listener’s Note |
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Von Christian Seiler
Mit Mozart haben es Franui nicht so. Diskussionen über Melodie und Genie enden regelmäßig bei Schubert, egal wo man sie beginnt, und mit prachtvollen Mozart-Koloraturen oder geheimnisvollen Klangvorhängen in den Da Ponte-Opern muss man der Osttiroler Musicbanda gar nicht erst kommen. Sie vergleichen herzlich unbeeindruckt Äpfel mit Birnen und wiegen den ganzen Don Giovanni mit dem »Wirtshaus« von Schubert auf oder mit der »Litanei auf das Fest Allerseelen«, aber davon später.
Wenn dieses Franui-Album – es ist das elfte – also jetzt in einen geheimnisvollen Klangvorhang gehüllt wird, insgesamt eher unfranuiesk zart und ruhig – ein Automechaniker würde sagen, die Band fährt nur auf drei Häferln –, dann ist das weniger eine Reverenz an Mozart, bei dessen Divertimenti sich Franui bedienen, um dieses feine, funkelnde Klangmuster zu spinnen. Es ist vielmehr ein Verweis auf Mozarts Gebrauchsmusik, die er komponierte, damit seine Gönner bei Tisch nicht auf die eigene Unterhaltung zurückgeworfen wer- den, und eine Art Gebrauchsmusik ist auch Franuis »Ouverture ennuyeuse«, weil sie in das Panoptikum der zauberhaft paradoxen Langeweile einführt, als deren Türsteher der große Peter Simonischek fungiert und heiter deklamiert: »Hereinspaziert, Meinedamenunherrn, hier langweilt Ihr Euch königlich.« [...]
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Artist’s Note |
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Von Markus Kraler und Andreas Schett
Wie eine Aufnahme entstand, bei der eine begehrte Tanz- und Begräbniskapelle aus Osttirol mit Mozart und Konsorten bei der Langeweile landete, sie aber niemals empfand.
Matthias Schulz, damals Intendant der Internationalen Stiftung Mozarteum in Salzburg (heute Intendant der Staatsoper Unter den Linden Berlin), fragte an, ob wir für die Mozartwoche 2017 etwas mit Mozart machen könnten. Nun ja, unsere Klangbatterie aus Streichern, Saiteninstrumenten sowie Holz- und Blechbläsern ist uns heilig und was ihren Farbenreichtum anbelangt, halten wir sie für schier unerschöpflich. Aber, gütiger Himmel, Mozart? Wir haben uns schon einmal aus der Affäre gezogen, indem wir das Menuett aus »Don Giovanni« mit alpinen Volksliedern überlagerten, weil ja auch im Original die Banda im Hintergrund ein Tänzchen spielt und auf der Bühne zugleich etwas ganz anderes verhandelt wird – nachzuhören auf unserer CD »Tanz! (Franz)«. Sollten wir jetzt ein Klavierkonzert mit dem Hackbrett zerlegen, oder eine Arie aus Figaro oder Così auf der Tuba blasen? [...]
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About |
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© Julia Stix |
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Franui ist der Name einer ganz bestimmten Almwiese im kleinen, 1.402 Meter über dem Meer gelegenen Osttiroler Dorf Innervillgraten, in dem die Musiker von Franui großteils aufgewachsen sind. Das Wort ist rätoromanischen Ursprungs und verweist auf die geografische Nähe Innervillgratens zum ladinischen Sprach- raum in den Dolomiten.
Die Musicbanda gleichen Namens spielt seit 1993 in nahezu unveränderter Besetzung und ist bei den renommiertesten Festivals und Konzerthäusern zu Gast, u. a. Wiener Konzerthaus, Burgtheater Wien, Salzburger Festspiele, Bregenzer Festspiele, Ruhrtriennale, Staatsoper Unter den Linden Berlin, Münchner Opernfestspiele, Philharmonie Köln, Elbphilharmonie Hamburg, Schauspielhaus Zürich, Holland Festival oder Philharmonie de Paris.
Mit ihren Aneignungen der Lieder von Schubert, Schumann, Brahms und Mahler wurde die Musicbanda Franui über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt. Dabei versteht sich das Ensemble als »Umspannwerk zwischen Klassik, Volksmusik, Jazz und zeitgenössischer Kammermusik«; manches Mal wird die klassische Vorlage in all ihrer Schönheit liebevoll zelebriert, manches Mal vom Kopf auf die Füße gestellt (oder umgekehrt), skelettiert, angereichert, übermalt, weitergedacht. Die Grenzen zwischen Interpretation, Improvisation, Arrangement und (Re-)Komposition verschwimmen.
Bei ihren Konzerten und Musiktheaterproduktionen verbünden sich die Musiker häufig mit herausragenden Bühnenpartnern wie dem Bariton Florian Boesch, dem Autor Hans Magnus Enzensberger, dem Puppenspieler Nikolaus Habjan, dem Maskentheater-Ensemble Familie Flöz, dem Videokünstler Jonas Dahlberg oder den Schauspielern Dörte Lyssewski, Sven-Eric Bechtolf und Peter Simonischek.
Im Wiener Konzerthaus gestaltet Franui seit 2015 jährlich im Mai das Festival »Gemischter Satz«, bei dem Musik, Bildende Kunst, Literatur und Wein in einem neuen Zusammenspiel präsentiert werden.
Die CDs von Franui erscheinen beim Label col legno und wurden mit mehreren Preisen ausgezeichnet. »Ständchen der Dinge«, das Album zum 25. Geburtstag des Ensembles, erhielt 2018 den Jahrespreis der Deutschen Schallplattenkritik. |
1CD | Instrumental | Ensemble | World | PRIME colors Edition |
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Empfehlung |
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Franuis Bearbeitung von Schubertliedern; das Resultat ist Ton für Ton und unzweifelhaft Franui mit Blech und Streicher, Hackbrett und Zither und mit einer Schubertschen Note. |
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Die Geburtstagsscheibe zum 20. Jubliläum! |
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Tanzmusik aus inneralpinem Gebiet und aus der Tiefebene, zwischen Schubert, Bartók und Osttiroler Jungbauernball: Franui back at it again! |
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